JP0230 Jan Kollwitz Echizen tsubo

Jan Kollwitz

 

 

großes Vorratsgefäß (tsubo)

Echizen-Keramik
H. 44,5 cm, D. 38 cm

Künstler:
Jan Kollwitz (geb. 1960)

Anagama-Ofen, Cismar

Die Adaption formaler und inhaltlicher Aspekte japanischer Keramik in das eigene Werk gilt für westliche Töpfer seit Jahrzehnten als große Herausforderung. Nur wenige schafften es, sich dem komplexen Thema der Teekeramik erfolgreich anzunähern.
Einer von ihnen ist Jan Kollwitz, ehemals Schüler von Horst Kerstan, der in Cismar an der Ostsee seit 1988 im eigenen Anagama-Ofen brennt. Vorher bei einem japanischen Töpfer in die Lehre gegangen zu sein, war für Kollwitz Voraussetzung. Im japanischen Echizen traf er auf den Keramiker Nakamura Yutaka, der ihn 1986 als seinen Schüler annahm.
Kollwitz fertigt Keramik im traditionellen japanischen Verständnis und steht somit in der Tradition einer langen Reihe von Keramikern, die bis in die Anfänge der „Alten Öfen“ in der Kamakura-Zeit zurückreicht. Dieser Tradition fühlt Kollwitz sich verpflichtet. Die Formensprache seiner Stücke findet immer Anlehnung an historische Vorbilder, und dennoch zeigt jede seiner Keramiken ihr eigenes Gesicht, trägt unverkennbar die Handschrift ihres Künstlers.
Kollwitz glasiert die meisten seiner Keramiken nicht. Das was wie eine Glasur wirkt, entsteht während des vier Tage dauernden Brandes durch das Feuern mit Kiefernholz. Die Flugasche des Holzes verschmilzt bei ca. 1300°C mit der Keramik zu einer natürlichen Glasur. Rauch, Flammen und Asche erzeugen graue, rote und tiefblaue Verfärbungen.
Wer Kollwitz näher kennt, weiß, dass er als Künstler sowie auch als Mensch in die Geisteswelt des alten Japan eingetaucht ist. Seine Arbeiten sehen nicht aus wie japanische Keramiken, sie sind japanische Keramik, das unterscheidet sie von vielen anderen Arbeiten westlicher Töpfer.

Kollwitz zählt heute zu den führenden europäischen Keramikern. Seine Objekte befinden sich öffentlichen Sammlungen und Museen, sein Werk findet internationale Anerkennung.

 

Jan Kollwitz stellt sich ganz in die Tradition Japans, nicht allgemein, sondern konkret nach den Reglements der Keramik von Shigaraki. Sie verwendet einen Ton mit Kieseleinschlüssen und wird ohne Glasur im Holzofen gebrannt. Der junge Töpfer erlernte das Handwerk und seine Besonderheiten zwar nicht dort, sondern in Echizen. Aber lokale Ausprägungen der Keramik sind in Japan schon seit längerer Zeit nicht mehr an den Ort gebunden, aus dem sie ursprünglich kamen. Sie werden als Regulative verstanden, die man auch anderswo praktizieren kann, warum also nicht in einem holsteinischen Dorf in der Nähe der Ostsee? Hier liess Kollwitz 1988 durch einen japanischen Meister einen Anagama-Ofen mit nur einer Brennkammer errichten. Seitdem kann Cismar als eine Dependance von Echizen gelten.

Im Verzicht auf den europäischen Individualismus richtet sich Jan Kollwitz ganz nach dem strikten Prinzip eines mehr auf Leben als auf Kunst gerichteten Handwerks. Er will beherrschen, was andere vor ihm konnten, sucht darin seine Maßstäbe und seine Befriedigung, mit langem Atem Schritt für Schritt vorankommend, fast unmerklich, so scheint es, und doch unübersehbar, wenn man ähnliche Gefäße nebeneinander stellt, die in längerem zeitlichem Abstand voneinander entstanden. Seine Kriterien sind auf Stetigkeit und Dauer gerichtet; er ist glücklich, wenn einer seiner Töpfe so selbstverständlich erscheint wie ein altes Gefäß, das dem Alltag diente. Er möchte feste Verbindlichkeiten schaffen, also das Gegenteil von modischen Wechseln. Er glaubt daran, dass nur solche Verbindlichkeiten eine sich im Entertainment auflösende Gesellschaft vor weiteren Verlusten bewahren kann. Es geht ihm nicht so sehr um ein ästhetisches Ergebnis, als vielmehr um Zweck und Sinn einer Lebensform.

Dass jemand, der sich auf diese Weise gegen den Zeitgeist stellt, wie ein Exot erscheinen muss, kümmert ihn nicht im Geringsten, denn er weiß, dass der Kapitulation vor dem Zeitgeist und der Anbetung der Beiläufigkeit auf Dauer keine Zukunft beschieden ist. Er darf von sich sagen, dass er den Boden bereitet, auf dem Zukünftiges wachsen kann.

Heinz Spielmann