Koch Heiner

Heiner Koch (geb. 1947)

Seit den frühen 70er Jahren widmet sich Heiner Koch neben der Zeichnung intensiv der Bildhauerei. Die jeweiligen Werkstoffe sind für Koch nicht bloß zweckmäßiges Mittel, ihre unterschiedlichen Eigenschaften fördern und fordern den Künstler im Ringen um das jeweilige Material.
Ein zentrales Thema bildet schon sehr früh der Übergang von Leib zu Laib, dessen Kern für den Künstler in der letztendlichen Verbindung alles stofflichen in einem Ganzen zu finden ist. Aus diesem kosmisch verankerten Selbstverständnis heraus sucht Koch genauso die Nähe zum Christlich-Rituellen wie zum Rituell-Kultischen. Er reduziert oder addiert seine Werkstoffe, zitiert, assoziiert und bleibt doch zum reinen Abbild auf Distanz. (AK)



Vita

1947 geboren in Mönchengladbach
1964 – 67 Lehre zum Fotogravurzeichner
1969 – 74 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Rolf Sackenheim (freie Grafik) und bei Prof. Joseph Beuys (Bildhauerei)
1974 Meisterschüler bei Prof. Sackenheim
1989 – 2012 künstlerische Leitung des Bereiches Bildende Kunst im Musischen Zentrum der Ruhr-Universität Bochum
Ausstellungstätigkeiten im In- und Ausland
lebt und arbeitet in Mönchengladbach

Ausstellungen

1970
– Het Arsenal van Heiner Koch, Tekeningen, Etsen, Objekten, in „de Morian“, s`Herzogenbosch, NL
1971
– Fünf Klassen der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Kunsthalle Düsseldorf
– Rolf Sackenheim, seine Freunde und Schüler, Galerie Schloss Ringenberg
1972
– „Nahe Raum 20“, Zeichnungen, Objekte, Plastiken, Kunstakademie Düsseldorf
– Beleg 2, Städtisches Museum Mönchengladbach
1973
– Zwei Räume (Bilder) – Gesamtraum (Bild). Zeichnungen, Objekte, Skulpturen, Kaufmännische Schulen Mönchengladbach
– Grundzeichen (-formen), Galerie Grosfeld, Venlo, NL
1974
– Objekte – Situationen, Galerie Jülicher, Erkelenz
1975
– Heiner Koch bei Jürgen Heckmanns, Zeichnungen und Skulpturen, Krefeld
1976
– „Mit, neben, gegen“ – Joseph Beuys und seine Schüler, Nachtfisch: Plastik und Bild, Frankfurter Kunstverein
1978
– 9 Skulpturen, Produzentengalerie Mönchengladbach
1980
– Kopf / Rumpf 1, Skulpturen und Zeichnungen, Galerie Januar, Bochum
1981
– Landschaften (innen/außen), Skulpturen und Zeichnungen, Offene Galerie, Köln
– Silberlaib, Skulpturen und Zeichnungen, Studio Kausch, Kassel
– Heiner Koch bei Hardy Fischer, Skulpturen, Bilder, Zeichnungen und Radierungen, Villa Hecht, Mönchengladbach
– Handzeichnungen und Druckgrafik, Galerie Januar, Bochum (beteiligt)
1982
– Kopf / Rumpf 2, Skulpturen und Zeichnungen, Galerie Januar, Bochum
1983
– Atelier im Seminar 4: Zeichnungen und Splitterlaib, Justus-Liebig-Universität Gießen
– Zwischenbereiche: „Ich bin das Messer und die Wunde“, Galerie Gruppe Grün, Bremen
1984
– Skulpturen und Bild, Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach
– Heiner Koch bei Reinhard Hoeps, Skulpturen, Objekte, Zeichnungen, Köln
1985
– Heiner Koch, Skulpturen, Plastiken, Bilder, Zeichnungen, Atelierhaus Mönchengladbach (mit D. Sambolec)
– Laib – Leib, Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Galerie R 22, Kevelaer
– NEO NEO Groß Art Festival, Bilder und Skulptur, Gießen (beteiligt)
1986
– „Laib – ach / ach – Leib“, Bilder, Plastiken, Zeichnungen, Galeija Equrna, Ljubljana, YU (mit D. Sambolec)
– Laib – Leib, Bilder, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafik, Galerie Baumgarten, Freiburg
– Aufenthalt und Arbeit in den Ateliers des Zentrums für experimentelle Kunst in Boissano, Ligurien, Italien – ermöglicht durch das Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft in Freiburg i. Br., Boissanoblock 1
– Heiner Koch / Peter Bormann, Skulpturen, Plastiken und Bilder, Galerie Januar, Bochum
1987
– La(e)ibraum, Bilder, Skulpturen, Plastiken, Zeichnungen und Druckgrafik, Galerie Vayhinger, Radolfzell, Bodensee
– Aufenthalt und Arbeit in den Ateliers des Zentrums für experimentelle Kunst in Boissano, Ligurien, Italien – ermöglicht durch das Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft in Freiburg i. Br., Boissanblock 2
– „GegenStand“ Laib-Skulpturen, Kulturbahnhof Eller, Düsseldorf (beteiligt)
1988
– Paintings on paper, Macomb Center Gallery, Detroit, USA
– Melanconia, Bilder, Skulpturen, Objekte, Kunstverein Arnsberg
1989
– Künstlerische Leitung des Bereiches Bildende Kunst im Musischen Zentrum der Ruhr-Universität Bochum
– Bilder, Skulpturen und Holzschnitte, Kunstkabinett Mönter, Düsseldorf-Osterrath
– Goldlaib, Galerie Baumgarten, Freiburg, Art Cologne, Köln (beteiligt)
1990
– Bilder, Skulpturen, Plastiken, Holzschnitte, Arbeiten auf Papier, Galerie R 22, CB Well, NL
– Positionen der Zeichnung, Galerie Hake, Wiesbaden (beteiligt)
1991
– Laibraum, Bilder und Skulptur, Gemeinschaftsausstellung des Atelierhauses Steinmetzstraße, Mönchengadbach & Städtische Galerie im Park, Viersen
1992
– 2 Leibbilder (stehend/stürzend), University Gallery Windsor, Canada
– 2 Leibbilder (stehend/stürzend) Michigan Gallery, Detroit, USA
1993
– de figura, Aspekte der Figur in der zeitgenössischen Skulptur, Plastik und Zeichnung, Dominikaner-Forum Rottweil, Forum Kunst Rottweil (beteiligt)
1995
– Kunst in der Krypta, 17 Arbeiten, Skulpturen und Bildtafeln, Münster St. Vitus, Mönchengladbach
1996
– Kunst im Kirchenraum – Bilder und Skulpturen, Krankenhauskapelle Maria-Hilf, Mönchengladbach
1997
– Via crucis, Das Kreuz in der Kunst der Gegenwart, Dominikaner-Forum im Dominikanermuseum Rottweil (beteiligt)
2001
– Auf leerem Grund, Arbeiten auf Papier / Künstlerbücher, Museum Bochum (beteiligt)
– Barocco. Bildtafeln und Skulpturen, Orangerie Schloss Benrath, Düsseldorf (mit B. Kucken)
2005
– Heiner Koch bei Reinhard Hoeps, Skulpturen, Plastiken, Bilder, Zeichnungen, Ausstellung im ehemaligen Gewächshaus, Münster
2006
– Laib und Seele, Rollbilder, Bildtafeln, Skulpturen, Kunstraumno.10, Mönchengladbach
2007
– Schwarzlackbilder und Objekte, Kunstraumno.10, Mönchengladbach
2010
– Werkschau 1, Bildtafeln und Skulpturen, André Kirbach Kunsthandel, Düsseldorf
2012
– Werkschau 2, Bildtafeln und Skulpturen, André Kirbach Kunsthandel, Düsseldorf
2013
– Bilder der 80er Jahre, Galerie Januar, Bochum
– Schwarzlackbilder und Laibskulptur, Kunstverein Bochum
– Wie es im Buche steht, Künstlerbücher von Heiner Koch, André Kirbach Kunsthandel, Düsseldorf
2015
– Brot, Fisch und Wein. Skulpturen und Arbeiten auf Papier, André Kirbach, Düsseldorf
2017
– „Nur aus innig verbundenem Ernst und Spiel kann wahre Kunst entspringen.“ (Goethe) Zum 70. Geburtstag von Heiner Koch, zum 90. Geburtstag von Friederich Werthmann. André Kirbach, Düsseldorf auf der Cologne Fine Art, Köln
2018
– Heiner Koch – EINGEMACHTES, André Kirbach, Düsseldorf
– Heiner Koch – EINGEMACHTES, Kunstverein Aurich

 

Leibhaftige Wahrheit (aus: Weltkunst, Nr. 4, München 1984, S. 277, Autor: Bernd Growe)

Nicht nur die Malerei öffnete sich in der jüngsten Vergangenheit neuen Vorstellungen, die den Kunstidealen noch der siebziger Jahre zuwiderlaufen, auch im Bereich der Plastik sind Neuorientierungen sichtbar. In der Plastik ist es ebenso wie in der Malerei unübersehbar, dass die Künstler sich wieder verstärkt bei älteren, vom verengten Fortschrittsgesetz der Modernität verschütteten Traditionen rückversichern. In diesem Kontext sind die Skulpturen eines jungen Bildhauers aus Mönchengladbach zu sehen, die derzeit in einer kleinen Ausstellung des Städtischen Museums Abteiberg gezeigt werden. Jene Arbeiten nehmen sich, ohne ihre fundamentale Prägung durch die Bedingungen der Moderne irgend zu leugnen, die älteste und trotz einer langen Periode der Verdrängung vornehmste Darstellungsaufgabe der Skulpturen zum Thema: den menschlichen Leib.

Allerdings versucht Heiner Koch (Jg. 1947), der sich nach dem Absolvieren der Akademie Düsseldorf als Kunstlehrer an einer Fachschule für Sozialpädagogik durchschlägt, weder den Körper des Menschen abbildlich zu repräsentieren, noch arbeitet er mit tradierten Materialien wie Bronze oder Marmor. Ihm genügen Fundstücke: sparsam bearbeitete Holzblöcke, deren Oberfläche von eingerammten Eisenkeilen über und über verletzt sind, während andere, geglättet und vergoldet, Unberührbarkeit signalisieren. In Mönchengladbach wird die Installation von länglichen Kantensteinen aus hellem Granit beherrscht, wie sie zur Uferbefestigung der Rheinwiesen benutzt werden. Sie blockieren den Zugang zum Ausstellungsraum, ein Haufen steinerner Leiber, die von Koch bei nur minimaler Formbearbeitung gewissermaßen mit dem Stockeisen „gehäutet“ wurden. Motivisch gesehen greifen Kochs Skulpturen auf je neue Weise die Themen „Kopf“ und „Rumpf“ auf. Sie zielen gerade nicht auf die Präsenz von Körpern, sondern thematisieren ganz widersprüchliche Körpererfahrungen. Ja, Kochs Skulpturen überfassen die ganze Spannbreite möglicher Körpererfahrungen – den unberührbaren, in ungreifbare Distanz gerückten gold-schimmernden Leib ebenso sehr wie dessen äußerste Verletzlichkeit und Hinfälligkeit. So besitzen die Skulpturen ein aus den Formen erwachsendes, über bloße Formbeziehungen aber hinausreichendes Leben. Die in einem „Splitterleib“, dessen „Haut“ von den eingerammten Eisenbolzen perforiert ist, zum Ausdruck kommende Brutalität rührt kaum aus der Oberflächenveränderung der Skulpturen allein; sie betrifft deren Innerstes, den Kern des Leibes. Man muss nicht eigens an Riemenschneider oder afrikanische Nagelfetische erinnern oder an die Skulpturen von Kochs Lehrer Beuys, um zu erkennen, dass in der Verletzlichkeit und gerade auch der Intangibilität der Skulpturen Kochs religiöse Gehalte angesprochen sind.
Thematische Konzentration bei erstaunlicher Vielfalt des Ausdrucks, die dieses vielversprechende Werk kennzeichnen (Koch ist auch ein passionierter Zeichner, drei großformatige Arbeiten sind am Abteiberg zu sehen), wären in einer umfassenderen Präsentation erst noch zu entdecken. Dann könnte sich die aktuelle Bedeutung der plastischen Konzeption von Heiner Koch und mit ihr die ungeminderte Aktualität und Geltung einer der schönsten Definitionen der Plastik überhaupt bestätigen. Die stammt von Herder und lautet: „Plastik ist historisch bedingte leibhaftige Wahrheit.“